Geschichte des Hauses Bergstraße 43



Das dreistöckige Haus mit Scheuer wurde im Jahre 1822 erbaut.

1830 kaufte es der jüdische Viehhändler Veit Hirschfelder (1801 – 1882), der mit seiner Frau Marianna geb. Zürndorfer (1804 – 1888) insgesamt sieben Kinder hatte. Sie wohnten im Dorf unten im sogenannten Vogteihaus der Johanniter-Kommende. Wahrscheinlich hatte Veit Hirschfelder das Haus in der Bergstraße vermietet, bis er es 1865 seinem Sohn Max zur Hochzeit schenkte.

Den Ehebund schloss Max Hirschfelder (1836 – 1909) mit der ebenfalls aus Rexingen stammenden Rieke Wälder (1845 – 1914). Ob er wie sein Vater auch Viehhändler war, ist nicht überliefert, doch weisen die Räumlichkeiten des Hauses darauf hin. Das Paar bekam zehn Kinder, von denen vier bereits im Säuglingsalter starben. Max Hirschfelder war zudem Vorsteher der jüdischen Gemeinde. Nach seinem Tod ging das Haus 1911 an seinen Sohn Salomon über.

Salomon Hirschfelder (1872 – 1937) selbst war Kaufmann und zog 1925 mit seiner Frau Rosa geb. Löwengart (1881 – 1946) nach Stuttgart, wo sie gemeinsam ein Futtermittelgeschäft betrieben. Er ist auf dem Stuttgarter Pragfriedhof beerdigt, seine Frau emigrierte in die USA.

Bereits 1914 hatte der Viehhändler Max Lemberger (1867 – 1935) aus Rexingen das Haus von Salomon Hirschfelder erwerben können. Max Lemberger war seit 1896 mit Thusetta (Dorchen) Straßburger (1870 – 1942) verheiratet. Das Ehepaar bekam drei Söhne und eine Tochter, die alle in diesem Haus aufwuchsen.

Ihr ältester Sohn Julius (1897 – 1936) diente als Soldat im Ersten Weltkrieg und starb an der Spätfolge einer Kriegsverletzung. Seine Witwe Hilde und sein Sohn Siegfried wurden 1941 nach Riga (Lettland) deportiert.

Die beiden anderen Söhne Sally (1901 – 1960) und Josef (1905 – 1997) schafften es 1938 mit weiteren Rexinger Juden, noch vor dem Holocaust in das britische Mandatsgebiet Palästina zu emigrieren, wo sie an der nördlichen Mittelmeerküste Israels nahe der Hafenstadt Haifa eine neue Siedlung gründeten: Shavei Zion.

Erna (1903 – 1942), das jüngste Kind der Familie und einzige Tochter, heiratete 1930 den Viehhändler Walter Heß (geb. 28.11.1901) aus Malsch. Nach der Trauung in Rexingen zog sie zu ihrem Ehemann, wo er Mitinhaber der Viehhandlung seines Vaters war. Noch im selben Jahr kam ihr Sohn Richard (1930 – 1942) zur Welt. Walter Heß gelang es 1938, nach Argentinien zu fliehen, zunächst jedoch ohne Frau und Kind. 1939 kehrte Erna Hess gemeinsam mit ihrem Sohn nach Rexingen zurück. Ende November 1941, in den kalten Wintermonaten, schließlich wurden beide von den systematischen Deportationen des NS-Regims erfasst. Man brachte sie in das KZ Jungfernhof bei Riga (Lettland), beide kehrten nicht mehr zurück. Die zwischenzeitlich verwitwete Thusetta Lemberger kam 1942 in das Getto Theresienstadt und starb kurze Zeit später im Vernichtungslager Treblinka (nordöstlich von Warschau).

Im Rahmen der nationalsozialistischen Gesetzgebung hatte 1939 auch dieses Haus verkauft werden müssen. 1957 kam es in den Besitz von Gertrud und Konrad Asprion, den Eltern der vorletzten Besitzerin Hildegard Göttler.

Im Jahre 2017 durften wir, die Familie Flaig, das dreistöckige Haus mit Scheuer von Frau Göttler erwerben. Die Firma Holzbau Faßnacht begann 2019, für uns den Scheunenanteil zu Praxis- und Wohnräumen umzubauen. Der Gewölbekeller (er befindet sich mit seinem Vorraum nun direkt unterhalb der Praxisräume) und die alte Steinmauer konnten dank des Fachwissens der Horber Traditionsfirma erhalten werden.

Zum Andenken an Dorchen Lemberger, Erna und Richard Hess wurden im November 2011 vor dem Haus drei Stolpersteine verlegt.


Verfasst mithilfe des Träger- und Fördervereins Ehemalige Synagoge Rexingen e. V., Bergstraße 45, 72160 Horb-Rexingen.